Trotz Pandemie kein Einbruch bei Verfahrenszahlen

Berlin. Die Justiz erweist sich seit Beginn der Corona-Pandemie als stabiles Rückgrat des Rechtsstaats. Die Sorgen mancher Skeptiker, dass infolge der Pandemie viele Verfahren in den Gerichten liegen bleiben könnten, haben sich nicht bestätigt.

„Trotz schwieriger Bedingungen ist es auch im Corona-Jahr 2021 durch ein hohes Engagement aller Beschäftigten in der Justiz gelungen, die Erledigungszahlen hoch zu halten und effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten“, sagt DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Aus der jüngsten Rechtspflegestatistik geht hervor, dass die Straf- und Zivilgerichte in Deutschland 2021 beinahe so viele Fälle erledigt haben wie im Vorjahr. So haben die Amtsgerichte im Jahr 2021 mehr als 580.000 Strafverfahren erledigt, was 95 Prozent des 2020 bewältigten Pensums entspricht. Die Landgerichte haben 2021 bei den erstinstanzlichen Strafsachen mit mehr als 14.000 Verfahren sogar das Niveau des Vorjahres übertroffen. Auch bei den Oberlandesgerichten liegt die Zahl der erledigten Strafsachen nur knapp unter der Marke von 2020.

Hohes Engagement in der Justiz

Ähnlich ist das Bild in der Ziviljustiz. 2021 haben die Amtsgerichte bundesweit mehr als 798.000 Zivilverfahren erledigt, was rund 92 Prozent des Vorjahrespensums entspricht. Die Landgerichte konnten mehr als 340.000 erstinstanzliche Zivilfälle zum Abschluss bringen, etwa so viele wie 2020. Die 24 Oberlandesgerichten haben 2021 vor allem rund 37.500 neue Dieselverfahren erreicht, auch viele Landgerichte melden hohe Zahlen. Selbst die Corona-Pandemie konnte die Dynamik der Klagewelle nur vorübergehend bremsen. Es sind aber nicht mehr nur die Zehntausenden Dieselfälle pro Jahr, die viele Richterinnen und Richter frustrieren und erschöpfen – längst rollen auch in anderen Rechtsgebieten massenhaft Verfahren auf die Gerichte zu. So häufen sich Klagen früherer Wirecard-Aktionäre. In mehr als 20.000 Fällen liegen bereits Rechtsschutzzusagen für diese Verfahren vor. Daneben beschäftigen Streitigkeiten etwa um Widerrufe von Verbraucherdarlehen oder wegen Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung zunehmend die Gerichte.

Ungeahnte Herausforderungen

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Stephan Harbarth schreibt in einem Gastbeitrag für die Deutsche Richterzeitung (DRiZ), dass die Corona-Pandemie “die gesamte Justiz vor vormals ungeahnte Herausforderungen gestellt” hat. Das galt vor allem für die Verwaltungsgerichte. Auch die Strafjustiz ist in der Krise stark gefordert gewesen. Hier hat die Pandemie für Tausende zusätzliche Verfahren gesorgt. Nach einer Corona-Delle im Frühjahr 2020 haben auch viele Amtsgerichte seit dem zweiten Halbjahr 2020 einen neuen Verfahrensschub verzeichnet, weil Tausende Fluggäste sich nach Flugausfällen vor den Gerichten gegen ihre Airlines wehrten, die Ticketpreise nicht erstatten wollten. Obwohl die Corona-Pandemie den Flugverkehr 2020 über Monate weitgehend lahmgelegt hat, haben die Amtsgerichte an den 20 größten Flughafenstandorten mit rund 90.000 Fällen im Pandemie-Jahr 2020 nur zehn Prozent weniger Fluggastklagen erreicht als im bisherigen Rekordjahr 2019. 2021 ging die Zahl der Verfahren dann wieder auf mehr als 50.000 zurück, vor allem zum zweiten Halbjahr 2022 stiegen die Zahlen wieder stark an.

Häufiger digitale Verhandlungen

Die Corona-Pandemie hat zudem für einen ersten Digitalisierungsschub in der Justiz gesorgt. Die Zahl der Richter, die in geeigneten Fällen auf Online-Verhandlungen zurückgreift, hat sich im Laufe des Jahres 2020 verfünffacht. Das geht aus einer repräsentativen Befragung von rund 400 Zivilrichtern zum Einsatz von Videotechnik in der Justiz hervor. Haben vor der Corona-Krise lediglich acht Prozent der Befragten Videotechnik für ihre Verfahren genutzt, ist die Quote während der Pandemie auf 42 Prozent gestiegen. Den Antworten der Befragten zufolge dürfte sich der Trend fortsetzen.

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Bild von Matthias Schröter Matthias Schröter Pressesprecher
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