Keine Strafjustiz nach Kassenlage

Berlin. Der Deutsche Richterbund (DRB) ist alarmiert über die bundesweit 906.500 offenen Verfahren bei deutschen Staatsanwaltschaften.

Die Zahl der unbearbeiteten Fälle ist nach Recherchen der Deutschen Richterzeitung (Mai-2024) innerhalb von zwei Jahren um ein Viertel gestiegen. Auch die Eingangszahlen bei den Staatsanwaltschaften haben 2023 mit 5,4 Millionen neuen Fällen einen Rekordstand erreicht. Treiber der Entwicklung sind vermehrte Straftaten nach dem Aufenthaltsgesetz, deutlich mehr Fälle im Bereich der Kinderpornografie, mehr Verfahren wegen Hass und Hetze im Netz sowie Strafverschärfungen gegen Geldwäsche und Finanzkriminalität. „Das alles trifft auf eine personell ausgelaugte Strafjustiz, die ihren stetig wachsenden Aufgaben hinterherläuft“, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn in den Medien. „Zwar haben viele Länder Personal aufgestockt, die Aufgabenfülle der Justiz wächst aber schneller als die Zahl der Richter und Staatsanwälte.“

Bundesweit fehlen nach den offiziellen Personalschlüsseln der Länder in Staatsanwaltschaften und Strafgerichten mehr als 1500 Juristinnen und Juristen, wobei bis 2030 auch noch eine große Pensionierungswelle auf die Justiz zurolle. „Eine Justiz nach Kassenlage, die Strafgesetze am Ende nur noch selektiv durchsetzen kann, wäre aber Gift für das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat“, so Rebehn. Das zu verhindern, sei in erster Linie die Pflicht der zuständigen Landesregierungen. „Das trifft aber auch die Bundesregierung, die den Arbeitstakt der Rechtsprechung durch Bundesrecht wie zum Beispiel beim Cannabisgesetz maßgeblich mitbestimmt“, so Rebehn weiter. „Es ist höchste Zeit, dass die Ampel ihr Versprechen des Koalitionsvertrags einlöst, die Justiz durch eine Neuauflage des Bund-Länder-Pakts für den Rechtsstaat personell zu verstärken. Gerade in einer Zeit, in der die Unzufriedenheit vieler Menschen mit dem Staat wächst und die politischen Ränder nährt, darf die Ampel sich ihrer Mitverantwortung für einen durchsetzungsfähigen Rechtsstaat nicht entziehen.“

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Bild von Matthias Schröter Matthias Schröter Pressesprecher
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