Abbau von Rechtsstaatlichkeit zwingt Richter in der EU zum Protest

Frankfurt/Main. Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes (DRB) Jens Gnisa sprach bei der Podiumsdiskussion „Recht und Europa“ der Evangelischen Akademie Frankfurt und des Richterbundes Hessen über die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats in den Mitgliedsländern der Europäischen Union.

Gnisa betonte, dass die politische Neutralität der Richterschaft ein wichtiges Prinzip sei. Es gebe aber, das zeige das Beispiel Polens, starke politische Bedrohungen für den Rechtsstaat, die ein Abweichen hiervon rechtfertigten. Würden rote Linien überschritten, sei Protest geboten.

Angesprochen auf die Situation in Deutschland konstatierte Gnisa eine nur schwache rechtliche und institutionelle Absicherung einer politisch unabhängigen dritten Gewalt, die bislang durch eine ausgesprochen hohe Rechtskultur und Achtung durch die anderen Staatsgewalten kompensiert werde. Allerdings stelle Gnisa fest, dass hierzulande in öffentlichen Äußerungen bestimmter Angehöriger von Politik und Exekutive immer häufiger unsachgemäße und übermäßige Kritik geäußert werde. Diese könne schrittweise eine gesellschaftliche Dynamik gegen den Rechtsstaat freisetzen, die nur schwer wieder einzufangen sei. Die Richterverbände, so Gnisa, müssten in solchen Fällen „knallhart“ reagieren und Grenzüberschreitungen sofort zurückweisen.

Bei dem Vorhaben, dem gegenwärtigen Abbau der Rechtsstaatlichkeit in bestimmten Staaten Osteuropas auf europäischer Ebene entschieden entgegenzutreten, sei die erfolgreiche Rolle des Europäischen Gerichtshofs von entscheidender Bedeutung. Gnisa wies darauf hin, dass die zwischenstaatliche Diskussion durch Brüche im Rechtssystem der Bundesrepublik, wie beispielsweise das externe Weisungsrecht der Staatsanwaltschaft, erschwert werde, weil damit die Vorbildfunktion des deutschen Rechtssystems in Frage gestellt sei. Die „Achillesferse“ der deutschen Justiz sei dabei die fehlende Selbstverwaltung.

 

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